Nur-Sultan, Kazachstan 1 September 2021
Eine öffentliche Ansprache des Staatsoberhauptes an sein Volk ist immer ein spürbares politisches Ereignis, auch für die ganze Welt. Vor allem, wenn es sich um einen Staat handelt, der in Zentralasien führend ist.
Vor allem jetzt, da sich die Region aufgrund der COVID-19 Pandemie in einem weniger stabilen Zustand befindet, reagiert sie stark auf Änderungen in der Politik und Wirtschaft.
Am vergangenen Mittwoch (01.09.2021) überbrachte der Präsident von Kasachstan Kassym-Schomart Tokajew eine Botschaft. Tokajew stellte fest, dass dieses Jahr ein Jubiläumsjahr für Kasachstan ist. Im Dezember feiert die Republik den 30. Jahrestag der Unabhängigkeit. Weiterhin sprach er mit Respekt über seine Vorgänger, darunter auch über den ersten Präsidenten, Nursultan Nasarbajew. Außerdem hob Tokajew die Leistungen des Landes sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene hervor.
Mit vorsichtigem Pessimismus bemerkte der kasachische Staatschef:
„Wir müssen auf alle Herausforderungen und Bedrohungen vorbereitet sein, uns kontinuierlich verbessern und immer vorankommen.“
Ziele
Für die Herausforderungen der Welt muss man nicht weit gehen. Die globale COVID-19-Pandemie hat nicht nur die Medizin, sondern auch die Weltwirtschaft vor eine globale Herausforderung gestellt. Die Wirtschaft Kasachstans hat wie alle anderen einen schweren Schlag erlitten und versucht trotz der verheerenden Folgen sich wieder zu erholen.
„Unser strategisches Ziel ist es, unsere führende Rolle in Zentralasien und unsere Position in der Weltwirtschaft zu stärken“, sagte Tokajew.
Dies erfordert ausländische und solide Investitionen, welche für Profit wiederrum ein besonderes Klima benötigen. Im vergangenen Jahr hat der Präsident der Republik Kasachstan die Regierung angewiesen ein neues Instrument einzuführen – das Strategic Investment Agreement – um Vereinbarungen zwischen Staat und Investoren besser veranstalten und treffen zu können. Nun setzt die Republik große wirtschaftliche Hoffnungen darauf.
Um der Regierung die Pille zu versüßen, erinnerte Tokajew daran, dass Ende 2020 zum ersten Mal seit 10 Jahren in Kasachstan der Beitrag der verarbeitenden sekundären Industrie den Anteil der Bergbauindustrie überstieg.
Das mittelfristige Ziel ist es, den Export der verarbeitenden Industrie bis 2025 um das 1,5-fache – auf 24 Milliarden US-Dollar – und die Arbeitsproduktivität um 30% zu erhöhen, betonte der Präsident.
Nur Digitalisierung:
Das ehrgeizige Kasachstan will sich jedoch nicht nur mit dem Export von Produkten zufrieden geben. Der Präsident des Landes sieht die Zukunft in der Informationstechnologie. Er forderte die Regierung auf, den heimischen IT-Sektor zu pflegen und zu stärken. Das heißt, das Land mehr braucht junge, ausgebildete Fachkräfte.
Der Export von Dienstleistungen und Gütern der digitalen Industrie soll bis 2025 mindestens 500 Millionen Dollar erreichen, deutete der kasachische Präsident an. „Diese und andere Herausforderungen erfordern einen kompletten digitalen Neustart des öffentlichen Sektors.“
Das Land werde eine grundlegend neue Architektur der „digitalen Regierung“ aufbauen müssen, und zwar so neu, dass 100% der öffentlichen Dienste für die Bürger per Smartphone verfügbar sind. Tokajew erinnerte an den Start des Digital Transformation Centers und stellte klar, dass es notwendig sei, eine Plattform für die Interaktion nationaler Unternehmen mit der IT-Community zu schaffen.
„Es ist notwendig, die Datenübertragungsleitungen nach und nach auszubauen und zu aktualisieren und sie mit internationalen Korridoren zu verbinden“, erklärte er. Es ist notwendig moderne Rechenzentren zu schaffen, die Nachbarländer bedienen können.
Das Informations- und Telekommunikationspotenzial des Landes sei enorm, so der Präsident der Republik Kasachstan, welches im neuen digitalen Zeitalter buchstäblich geopolitische Bedeutung habe.
„Kasachstan soll in einem bedeutenden Teil der eurasischen Region zu einem zentralen digitalen Hub werden“, resümierte das Staatsoberhaupt.
Kernladungszahl:
Bedeutende, wenn nicht sogar grundlegende Reformen erwarten auch den Energiesektor des Landes. Darauf ging Tokajew gesondert ein.
„Das sind heute nicht mehr nur Worte, sondern konkrete Entscheidungen in Form von Steuern, Abgaben und Maßnahmen der technischen Regulierung“, präzisierte er. All dies betrifft uns direkt durch Export, Investitionen und Technologietransfer. Dies ist ohne Übertreibung eine Frage der nachhaltigen Entwicklung Kasachstans.
Der Präsident erinnerte vorsichtig daran, dass das Land bis 2060 CO2-Neutralität erreichen muss, dass die Bevölkerung und die Wirtschaft wachsen werden und Energie brauchen und dass sie bald mit einer Energieknappheit konfrontiert sein werden.
Die Welterfahrung schlägt den besten Ausweg vor. „Dies ist ein friedliches Atom“, sagte Tokajew. Dies ist keine einfache Frage, daher ist es notwendig, es so rational wie möglich, ohne Spekulationen und Emotionen, anzugehen.
Die Regierung und die Holding Samruk-Kazyna wurden beauftragt, die Möglichkeit einer sicheren und umweltfreundlichen Atomenergieentwicklung in Kasachstan einzuschätzen und gleichzeitig Vorschläge für die Wasserstoffenergieentwicklung zu erarbeiten.
Die Situation hier ist jedoch mehrdeutig. Einerseits steht die kasachische Gesellschaft den Aussichten auf den Bau eines Atomkraftwerks in der Republik sehr ablehnend gegenüber, andererseits hat Kasachstan das Pariser Abkommen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und zur Verbesserung des Energiesektors unterzeichnet und ratifiziert somit vollständige „Grünung“ – die Republik steht also auf einer Abzweigung.
Meine Sprache – mein Freund:
Auch Kassym-Schomart Tokajew sprach über die internationale Lage. Die instabile Lage in Afghanistan und die allgemeine Zunahme der globalen Spannungen als Beispiel nehmend, kündigte der kasachische Führer einen Neustart des militärisch-industriellen Komplexes und der Militärdoktrin des Landes an.
„Die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und die Erhöhung der Reaktionsfähigkeit auf Bedrohungen sollten ebenfalls zu Prioritäten von nationaler Bedeutung werden“, sagte er. „Wir müssen uns auf externe Schocks und das Worst-Case-Szenario vorbereiten.“
Ein Lied besagt: „Wir sind friedliche Menschen, aber unser Panzerzug ist auf einem Nebengleis.“ Und wenn jemand diese Verteidigungsfähigkeit überprüfen also will, dann lassen Sie ihn wissen, dass Kasachstan im Voraus zu allem bereit ist.
Gesunder Menschenverstand hat die Regierungschefs Kasachstans immer ausgezeichnet. Dies half Kasachstan, den Zusammenbruch der UdSSR, die 90er Jahre und Weltwirtschaftskrisen zu überstehen. Die Überwindung der Pandemie und ihrer Folgen scheint nach alten Mustern geplant zu sein. Man kann es Konservatismus nennen.
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